Öh, das Thema ist wieder mal Fressen. Wer hätte das gedacht? Jeder? Gut. Weiterlesen, Bratwurstling! Ein Abenteuer erwartet Dich!
Manchmal geht es in der Arbeit von der Zeit und vom Arbeitspensum aus, dass man sich in der Kantine dieser einen Einrichtung gediegen was in die Fressaufnahme zimmert – und das noch für einen sehr annehmbaren Preis. Die Portionen sind sättigend, die Eimersalate sehen sogar wie Salate aus, die vorgekochten Fertiggerichte bleiben dauerhaft im Magen und verlassen ihn auch wieder auf dem herkömmlichen Wege. Ein Dreiergespann aus Gründen, es immer wieder anzugehen.
So auch an diesem Tag.
Vereinzelt kommt es hingegen vor, dass die Kantine gut besucht ist – entweder, weil sie neben mir wieder alle anderen Verfressenen ausgelassen haben oder besondere Gerichte auf der Karte stehen. Braten, Wild oder alles andere, was der niedere Mistbauer in dieser Gegend hier kennt und mag, auch wenn er es nicht buchstabieren, dafür in seine zahnlücklige Bauernfresse schieben kann. Manchmal isst man dort schließlich so gut wie in einem Restaurant, und das für einen Bruchteil des Preises. Dafür geht es erwähnterweise manchmal ziemlich zu, so dass man froh sein muss, noch einen Platz ergattern zu können.
Generell bin ich nicht wählerisch, neben wem oder an welchem Tisch ich sitze. Bei der Tür, im Eck, an der Wand, in der Mitte oder im Aquarium. Es spielt für mich keine Rolle. Solange das Fressen vor mir frisch ist, einigermaßen schmeckt und gut duftet, der Stuhl vom Vorbesitzer nicht all zu vollgeschissen wurde und ich beim Essen nicht hetzen muss, ist mir so ziemlich alles wurst. Geht es meinem Bauchi gut, geht es mir gut. So auch dieses Mal, wo der letzte noch freie Platz der gegenüber eines etwas feisteren Herrn war, der keine zehn Sekunden vor mir hier angekommen ist, um dem grausamen Hungertod zu entrinnen.
Feist. Ja. Feist ist immer ein solch blümerantes Wort, um Gedachtes und Erlebtes nicht ganz so gach in egovernichtende Worte zu formen, dennoch aber auf eine nicht unübersehbare Leibesfülle hinzuweisen.
Ganz ehrlich und unter uns. Ich will nicht unbedingt sagen, dass er dick war, aber er war mit Abstand der fetteste Bastard, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Scheiße dachte ich, der hat sein eigenes Gravitationsfeld und es wäre ein Wunder, würde ein runterfallender Salzstreuer nicht beginnen, ihn zu umkreisen. Anfangs hegte ich die Vermutung, er sei bei den Kniebeugen im 90-Grad-Winkel hängengeblieben, aber dann sah ich erst, dass ich den Stuhl nicht sah. Fuck, war das vielleicht ein fetter Brocken. Das erinnert mich vorab an einen Witz, den ich mal gehört habe. Nicht, dass ich meine niveaulosen Posts mit einer noch unfähigeren und schlechteren Avantgarde vermiesen müsste, aber was muss, dass muss!
Unterhalten sich drei Kinder. Sagt das eine Kind prahlend und voller Stolz: „Mein Vater ist Chirurg in einem Krankenhaus! Wenn der den Raum betritt, heißt es nur noch ‚Grüß Gott, Herr Chefarzt!‘, ‚Guten Morgen, Herr Chefarzt!‘. Alle kennen meinen Vater und er ist etwas ganz Besonderes.“
„Ach, das ist nichts“, wiegelt der Zweite ab. „Mein Vater arbeitet im Gericht! Wenn der morgens zur Arbeit kommt und den Raum betritt, erheben sich alle. Da heißt es nur noch ‚Grüß Gott, Euer Ehren‘, wohin man auch hören mag. Er ist da was ganz was Hohes!“
„Geh, das ist doch gar nichts!“, schüttelt der Dritte den Kopf. Mein Vater wiegt 280 Kilo!“
„Und was soll da so besonders dran sein?“, wollen die anderen wissen.
„Na, wenn der sich durch den Türrahmen zwängt und den Raum betritt, sagen alle nur ‚OH MEIN GOTT!'“
Ich danke für die Aufmerksamkeit! Ich weiß zwar nicht, woher ich diesen Witz habe. Aber ich weiß, dass ich erstens so gut wie nie über Witze lache, sie zudem weder erzählen noch weniger mir merken kann. Wobei sich das Zweite und Dritte gut ineinanderfügen. Nun aber weiter mit der Geschichte:
Aufgeschlossen jedem Gegenüber, interessiert mich weder die Rasse, Herkunft, Hautfarbe, Konfektionsgröße oder sonst was von einen Menschen. Ich nehme ihn so, wie er ist und sich mir gegenüber gibt. Das bringt oft Überraschendes und versüßt einem den Tag, wenn man das ganze Äußerliche komplett außen vor lässt und allein die erste Minute dafür investiert, in den Menschen zu sehen. Somit hat sich schon oft herausgestellt, dass anzugtragende, hochgebildete Doktorgrade menschlich gesehen die größten Vollidioten sind, die man nur noch mit einem Esstisch umnieten möchte. Dafür sind oft augenscheinliche ultrafertige Nachtschattengewächse die coolsten und lässigsten Chiller, die man antreffen kann.
Dicken Menschen bin ich ebenso nicht abgeneigt, da ich selbst ein recht gut bebauchtes Pummelchen bin. Und das, obwohl ich als Kind mindestens täglich zwei Packungen dieser schokolierten Rosinen und die eine oder andere Palette Doppelkekse gefuttert habe. Kaum zu glauben, dass‘ mich immer noch nicht zerrissen hat, schlugen die Fruties doch ziemlich zu Buchi und erst recht zu Bauchi. Als zusätzlicher Brillenträger und unterer Niederbayer legitimiert mich dieser Sachverhalt dazu, relativ sanktionsfrei über fette Bauernbrillenschlangen herzuziehen.
Somit ist mir mein Gegenüber egal, als ich mich mit meinem Tablet auf den einzig freien Platz setze. Er schien sich keine fünf-ein-halb Sekunden vor mir dort hingesetzt zu haben. Vorurteile hin oder her, er war eine jener Fressmaschinen, die so futtergeil sind, dass sie jedweden Schmerz im Oralbereich abgelegt haben und in der Lage sind, Nahrung nicht nur in ungeheurer Menge und Geschwindigkeit, sondern auch jedweder Temperatur zu sich zu nehmen.
Die Vorstufe dazu ist noch das „heuchelnde Essen“, wie man es nennen kann. Passiert jedem, der in einen frischen Hawaiitoast beißt und (wie immer) zu spät bemerkt, dass die Ananas ein bisschen wärmer ist als er der Rest. Ausspucken will man auch nicht gerade, also beginnt man gleichzeitig zu hecheln und zu kauen, indem man das Stück Fleisch oder Ananas im Mund rumbalanciert. Kennt Ihr? Gut.
Dieses niedrige Level eines Anfängers hat dieser Koloss aber neben der Fähigkeit, sich hinten auszuputzen, schon lange hinter sich gebracht. Dampfend, siedend, kochend. Egal. Es ist einfach egal. Futter ist Futter, und da gibt es in der Zentrale nur einen Befehl: INPUT! Während andere die Suppe erst vorsichtig mit dem Löffel umrühren und sanft pusten, hatte dieser Verschlinger allen Lebens die Suppe mit zwei gewaltigen Zügen in sich hineingeschüttet.
Seinem Gesichtsausdruck nach zufolge wollte er daraufhin aufstoßen, hat sich aber gerade noch beherrscht. Ein Geysir, der nach innen verpuffte und irgendwann nach hinten raus und losgehen wird. Doch wenn ich recht überlege, war es nicht ganz nach hinten losgegangen. Nun, einem normalen Menschen hätte es bei dieser Druckverteilung die Unterhose in Fetzen zerlegt und das Stuhlpolster atomisiert, doch bei der Leibesfülle dieses Goliaths hat sich das irgendwo im inneren Kosmos verflüchtigt.
Dennoch aber ein Lob an seine Beherrschung! Ich hingegen, als ziemliche Wildsau ohne Moral oder Anstand hätte wohl einen Röhrer losgelassen, dass es den Putz von den Wänden geworfen hätte und die Alarmanlagen vier Häuserblöcke weiter noch angelaufen wären. Und das war noch alles ohne Kohlensäure.
Während ich gerade mal mit der Suppe begonnen hatte, ging es bei ihm endlich zum Hauptgang über. Endlich! Ist ja doch schon eine ganze Sekunde seit der letzten Nahrungszufuhr vergangen. Speaking of Hauptgang, ich selbst wählte das vegetarische Gericht. Nicht, dass ich mich generell fleischfrei oder wie die Veganer gänzlich sinnfrei und beschissenhaft gewissenhaft ernähre, nein, aber auch die tierfreie Ernährung hat verdammt gute Gerichte auf Lager. Käsespätzle, Reispfannen, Nudelaufläufe. Mir geht hier allein beim Schreiben schon tierisch einer ab, dass ich vor Hunger grunzen und ein Paarungsritual beginnen könnte.
An diesem Tag hingegen war es eine Mehlspeise, die mit meinem Mägelchen auf gar zärtlichste Art und Weise zu liebäugeln versuchte und darin mehr als nur erfolgreich war; ich gedenke dass ich gefüllte Pfannkuchen hatte. Ja. Ganz sicher sogar. Gefüllte Pfannkuchen. Meine große und auch einzige Jugendliebe. Neben Fruties und dem roten Damenfahrrad, dass am Dach vom Nachbarn lag und sich einst in der Fernsehantenne verheddert hatte.
Jeder weiß, dass Pfannkuchen als Offenbarung anzusehen sind. Pfannkuchen sind Hingabe. Pfannkuchen sind Gaumensex, Hingabe und Liebe. Ein Pfannkuchen wird dich gar nie niemals betrügen, niemals verlassen und dich immer lieben. Und du wirst ihn immer lieben. Besonders mit Pflaumenmus oder Nutella. Käse. Schinken. Körnigem Frischkäse. Seperat oder genau in dieser Reihenfolge. Alles. Einfach alles kannst du damit machen und es dir reinschieben. Und egal wie groß, es wird dir immer gut tun.
Mein Gegenüber, welches die ganze Tischbreite einnahm (es war ein Sechsertisch), hatte wohl keinen Fleischzahn, sondern ein Fleischgebiss. Zähne wie maschinelle Bolzen, eingemauert in einer Kauapparatur der Vernichtung mit einer oberarmgroßen Fleischzunge, welche nur dazu diente zu versuchen, nicht im Weg zu sein und mit hinuntergeschlungen zu werden. Denn Kauen? Fehlanzeige. Es wirkte eher wie einer dieser riesigen Häcksler, wo ganze Baumstämme verschwinden und nie wieder gesehen werden.
Also startete er damit, seine nicht zu knappe Portion zu sich zu nehmen. Maschinell betrachtet begann der Schaufellader, die Futterluke zu bestücken. Besteck diente nicht dazu, die Nahrung zu zerkleinern, sondern es irgendwie in die Aufnahme zu stopfen. Er hat einfach alles reingeschaufelt und mehr oder weniger (nun, weniger) unzerkaut geschluckt. Geschlungen. Vernichtet. Er mutierte zu einem verdammten schwarzen Loch, dieser verfressene fette Level-8-Bastard.
Das an sich wäre ament nicht einmal so schlimm gewesen. Nein, wahrscheinlich nicht. Ich bin es gewohnt, von grunzenden Schweinen und sonstigen stinkenden, auf zwei Beinen laufenden Niedermenschen umgeben zu sein. Ich mein, ich bin in Bayern aufgewachsen und soweit (Stand Januar 2016) immer noch verdammt, hier zu sein, was will man da schon erwarten? Hier frisst man sein Schweinersfrühstück beim Sautrog im Stall; und weil das nicht genügt, fressen wir den Säuen auch noch das Essen weg, bevor’s endlich zum Weißwurstessen und den nächsten vier Sturzhalben geht. Schließlich ist nachmittags Starkbieranstich, da muss man kampfbereit antreten. Du bist, was du frisst. Und du stinkst noch viel mehr.
Nun, um zur Geschichte zurück zu kommen: Das Verfressene, das Schlingen, das Aufstoßen und Völlereibehaftete hätte mich also gar nicht so gestört. Doch so ein Monolithkörper und Magnus Korpus muss versorgt werden. Nicht nur mit dem Kalorienbedarf einer Herde schwangerer Wildsauen, sondern auch mit Sauerstoff. Viel Sauerstoff. Aber ja, Herr Doktor, woher denn nehmen, wenn die Nase aufgrund eines kleinen grippalen Infekts den Dienst nicht gänzlich angetreten hat? Richtig. Man nehme jene Öffnung, die auch ganze Ochsen verschlingen kann.
Problem nur, dass er das in seinem unglaublichen Fresswahn gleichzeitig gemacht hat. Nur bin ich mir nicht sicher, was mich mehr beeindruckt hat: Die Tatsache, dass er das gemacht hat oder überhaupt geschafft hat. Ohne zu ersticken oder mir faustgroße Fleischbrocken ins Gesicht zu husten.
Und so kam es, dass er mit jeder weiteren Autoladung Essen auch vier Kubikmeter Luft angesogen hat. Mit Argusaugen sah ich schon unauffällig Richtung Tischgarnitur, Bodenbelag und Ventilator und wartete nur darauf, dass alles aus der Verankerung gerissen wird.
Die Physik belegt: Was rein muss, muss auch irgendwie und irgendwo wieder raus oder wohin. Gut also (für ihn), dass er mit offenem Mund gekaut hat. War ja schließlich ein Bayer, und ein Individuum räudiger Abstammung kennt Etikette nur vom Fernsehen und dem Preißengesocks, was so redet, wie wir ein paar von uns gerade noch schreiben können. Also atmet er während dem Kauen (Thema „heuchelndes Essen“) aus. Was dazu führt, dass mir ein warmer Schwall von schweinersduftiger Luft entgegenbläst, während ich versuche, meine mit Pflauenmus veredelten Pfannkuchen der Liebe in mein Mündchen zu positionieren.
Das scheint er zeitlich auch noch so gut zu machen, dass das jedes Mal geschieht, wenn ich gerade ein Stück Pfannkuchenliebe zu mir nehmen will. Vielleicht lag es auch daran, dass er quasi nicht pausierte – weder, um aktiv zu atmen, noch um zu genießen, was er da eigentlich wie ein Radlader in sich reinschaufelt. Es war ein konstanter Strom dieser heißen, mit Schwein geschwängerten Atemluft.
Ich wollte genießen. Ja. Ich wollte ja. Doch: Pustekuchen. Im wahrsten Sinne, denn der Fleischberg, der nur das dritte Wort des Namens eines Tarnkappenbombers gleich hatte, pustet warme Schweinersluft auf meinen Pfannkuchen, auf mich, in den ganzen Raum. Er ist zu einem zwei Kubikmeter großen Luftumwandler mutiert, und alles, was er dazu braucht, ist Essen. Er selbst bemerkt das gar nicht. Denn der große Fette, er kennt keine Etikette. Doch ich leide! Vor mir sind frische Pfannkuchen und ich kann sie nciht genießen! Da kann man sich noch so beherrschen und versuchen, sich auf sein eigenes Essen zu konzentrieren, doch ist und bleibt es ein Kampf gegen Windmühlen.
Windmühlen mit Schweinersduft.
Man frägt sich natürlich kurz, ob man den Herrn deswegen anreden soll. Doch wie soll das bitteschön klingen und wie soll ich es formulieren? „Ähm, entschuldigen Sie bitte, könnten Sie verfressene fette Sau bitte damit aufhören, sich wie ein Schwein zu benehmen und mich dauernd anzuatmen? Da wäre ich Ihnen wahrlich sehr verbunden.“
Ja, das würde doch nach einer freundlichen Bitte klingen. Die wörtliche Anrede mit „Sie“ muss ja schließlich fruchten.
Andererseits … vielleicht aber auch nicht.
Bildquellen:
Die Doppelkekse:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ed/Stack_of_sandwich_cookies.jpg,
By SKopp (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons
Die Pfannkuchen / Pancakes:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/14/Hot_cake.jpg,
By I (Potesara) (Self-photographed) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)%5D, via Wikimedia Commons
Der Schweinsbraten:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9e/Schweinsbraten.jpg,
By Kobako (photo taken by Kobako) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)%5D, via Wikimedia Commons