*grunz*
Amüsant war es auch am ver(kauf)soffenen Sonntag letztens in der Nachbarstadt, als der eine Gemüse-Obst-Händler immer laut „Zwei Ananas nur drei Euro!“ gerufen hat. Fast schon so, als wären wir hier auf einem Fischmarkt des achten Jahrhunderts. Und als wüsste in diesen Landen irgendjemand, was eine Ananas überhaupt ist.
Ich mein, hat der erwartet, dass die halbe Stadt gleich angestürmt kommt und ihm den Laden auskauft? Die meisten hier haben das Wort „Ananas“ an diesem Tag sicherlich das erste Mal gehört und würden ihren Hof samt dem Dutzend Traktoren und noch mehr Hallen verwetten, dass es irgendeine Erfindung der Japaner ist.
Auch wenn wir (zumindest vereinzelt) den Luxus fest bebauter Straßen und in den meisten Fällen sogar fließend Wasser und Strom für uns beanspruchen können, so befinden wir hier uns auf dem Land. Auf dem sehr ländlichen Land. Damit ändert sich alles. Und mit der Abnahme der Stadt verringern sich halt auch gewisse andere Dinge. Weltoffenheit, Akzeptanz, Toleranz und vor allem das sprachliche Niveau. Wobei sich Letzteres ungefähr drei Stufen unterhalb dem Level zwei sich ankeifender Rottweiler befindet. Dem nicht genug, gibt es noch welche, die reden wirklich wie die Ochsen (Schuhe -> Schou („Show“), Bub -> Bou („Bow“)), die anderen bejahen alles wie die Esel („Ja“ – „Ija“).
Sollte man sich einmal dazu entschließen, die gepflegte Zivilisation hinter sich zu lassen und in diese niederen Breitenkreise zu reisen (oder bereits das Los gezogen haben, hier sein Dasein fristen zu dürfen), wird man so einiges bemerken. Sobald der prozentuale Bevölkerungsanteil der vierbeinigen Rindviecher größer als der Anteil der zweibeinigen wird, beginnt unser Acker.
Ab dann ist Vorsicht geboten, denn hier beginnt das so genannte Gummistiefel-Kuhfladen-Territorium. Hier regiert das Schweiners! Die Weißwurst und das Bier sind hier so heilig wie die Kuh in Indien und auf unserer Flagge müsste streng genommen eine warme Leberkässemmel neben einer ausgezutzelten Weißwurst und einem leergesoffenen Bierstuzen abgebildet sein. Diese erwähnten Genussmittel werden schließlich so oft und in solch exorbitanten Quanten vertilgt und gesoffen, dass man unser Land nur noch einzäunen müsste, um einen Mastbetrieb zu deklarieren. Eine Warme („Semmel mit Fleischbrät“) gehört in die Flasche eines jeden Säuglings, so wie nach dem ersten vollendeten Lebensjahr das Bier in jede Mahlzeit gehört.
Man ist halt hier eher in der Region, wo zum Frühstück nicht das Müsli in die Porzellanschüssel, sondern das (erste!) Schweiners in den Ofen kommt und man Cornflakes mit Geselchtem in sich reinschaufelt. Gleich neben dem Sautrog im Stall natürlich. Und ja, ohne Besteck. Und freilich im Dunkeln. Weil, wir müssen sparen.
Ganz gemütlich tuckert man hier so schnell zum Einkaufen, dass die Traktorreifen schon beginnen, Moos anzusetzen und am Feldweg festzuwachsen. Bezahlte Ware wird in der komplett zugedreckten Ladeschaufel deponiert. Diejenigen, die den Führerschein bei einer der halbmonatlich vorkommenden Kirwa versoffen haben, kaufen auch gerne mal mit der Schubkarre ein, wo noch der ganze Scheiß dranklebt, weil das Gefährt (samt Halter) auf der Hinfahrt hierher in den Gülletank gefallen ist. Aber solange ein Bierkasten darin Platz hat und damit einigermaßen transportiert werden kann, ist alles adäquat. Somit allen Ansprüchen einer gepflegten Völlerei mit vier Pfund Obadzen entsprechend.
Überhaupt besteht die deftig bayerische Küche meist aus Fleisch, Fleisch mit Soße und Knödel, Fleisch mit Kraut, Fleisch mit Fleisch, Fleisch mit Wurst und Fleisch mit Fleischwurst.
Ebenso kauft man hier noch mit komplett eingesauter Trachtenkleidung und Schimmelflecken am Hut ein. Eben weil alles andere nach dem 18ten Jahrhundert umständlich und „zu modern“ ist und man es „früher auch nicht gebraucht hat“. Hauptsache noch Kleidung am wohlgenährten Körper. Die der Vater, Großvater und Urururgroßvater schon am Feld, beim Scheißen und Gülleausschaufeln getragen haben. Und so, wie der Name „Sepp“ seit vierzig Generationen weitergetragen wird, wird es auch die Kleidung.
Ein Spruch sagt „Der ganze Bua a Depp!“. Und weil sich ebenso der Spruch „Ein jeder Depp heißt Sepp“ in diesen Breitengraden hält, hat der obere Absatz komplette und legitime Gültigkeit. Gilt halt dann für die ganze Familie. Und gute siebzig Prozent der Bevölkerung.
Willkommen im niedersten Bayern.
Anderweitig will ich nicht übertreiben und behaupten, dass man sich hier eher im ländlichen Bereich befindet und die Leute nicht die Hellsten sind. Aber wenn man da zu einer bestimmten Zeit, sagen wir einfach mal vormittags um neun Uhr oder auch mittags rum, einfach mal auf dem Stadtplatz druchschlendert, kann man von Glück reden, wenn man auf drei Individuen hintereinander trifft, die noch gerade stehen und ihren Vornamen zur Hälfte buchstabieren können.
Die meisten Bauern hier haben es halt nicht so mit der Freundlichkeit, was man nicht immer, aber immer wieder erleben kann. Und die Weltoffenheit hier reicht ungefähr eine Spuckweite von der Haustüre bis zum ersten Kuhfladen. Wenn man sich hier irgendwo mit dem Auto verfährt und zufällig in deren abgelegenen Hof fährt, um zu wenden, laden die Bauern hinter zugezogenen Vorhängen bereits die Schrotflinte durch und schleifen die Zinken ihrer Mistgabel.
Somit: Ja, es ist alles wahr und bare Münze, was man sich über Bayern und die Bayern erzählt. Wir tragen die Tracht und Lederhosen nicht nur den ganzen Tag, wir tragen sie auch die ganze Nacht. Bis 12 Uhr mittags ernähren wir uns ausschließlich von Weißwurst, Brezn und süßem Senf, ab dann gibt es nur noch Schweiners mit Knödel, bis zu den vier Brotzeiten Richtung Abend auf Obadzen, Schwarzgeräuchertes, Kraut und Bauernbrot umgeschwenkt wird. Wir schnupfen nicht den Schnupftabak, wir atmen ihn. Gummistiefel sind für uns nicht nur Ausgehkleidung, da sie bereits angewachsen sind und als Körperregion gewertet werden können.
Na dann: Prost Mahlzeit.