Sein erstes Mal war eine Qual, doch war er erst einmal im Mund, ging es flott und richtig rund

Ältere Menschen sind schon lustig. Besonders, wenn es sich noch dazu um Bauern handelt. Und noch schlimmer, wenn es sich zeitgleich um Bayern handelt. Eines dieser Vorkommnisse ist ja schon schlimm, aber beide in Kombination, das ist … ja, wie soll ich sagen, das Wörtchen deluxe ist zu fein für so einen Misthaufen, warum nennen wir es nicht einfach einen Sauhaufen? Ja? Denn Bayernbauern pflegen neben einer Schrotflintenmentalität auch stets das erste und einzige Gebot, den Grundsatz engstirniger, horizontloser Weltauffassung: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Auch wenn man das bei uns hinterwäldlerischen Bauernvolk nicht nur auf das Kulinarische beziehen sondern auf das Ganze Leben beziehen kann, so wird es dieser Post dennoch tun.

Ein Gedicht von Gericht: Nasi Goreng.

In diesem Post geht es um mich und einen Bekannten. Einem älteren Herrn, der nur kennt, was er kennt und nur frisst, was er frisst. Änderungen, Neuerungen und vergleichbar gibt es nicht. Neues wird grundsätzlich verteufelt und für böse empfunden. „Nein, das mag ich nicht“ ist die Standardantwort. Auch wenn er gar nicht weiß, was ich ihm überhaupt empfehlen will.

Schon vor längerer Zeit war ich mit ihm einmal unterwegs. Zur Mittagszeit dachte ich, ihn für einen leckeren thailändischen Imbiss begeistern zu können. „Nein, das ist nicht so das meine“, meinte er, auch wenn er es mit keinem richtigen Argument belegen konnte. Ironischerweise hatten wir am gleichen Tag die Thematik der Tiefkühlkost angeschnitten, bei welcher er sich ziemlich für das Nasi Goreng aussprach. Ja, das macht für mich auch keinen Sinn.

Dennoch.

An besagtem Tag (hä, hat der Blödmann von Autor überhaupt ’nen Tag genannt?) waren wir schon länger unterwegs, als wir gedachten, endlich mal die Futterluke mit was Neuem zu bestücken. Schließlich lag die die letzte Brotzeit schon eine knappe Stunde zurück und der Zuckerspiegel war bereits am Sinken. Sofort empfahl sich ein Dönertempel, bei dem wir nach kurzer Absprache auch anhielten. Wobei die Absprache so aussah, die ich grundsätzlich demokratisch, im Zeichen des freien Willens und zur Zufriedenheit von jedem Anwesenden definiert haben will:

Ich: „Holen wir uns einen Döner?“
Er: „Ich weiß nicht.“
Ich: „Also einen Döner. Außer Du hast irgendwelche Einwände und willst etwas anderes.“ (Anmerkung der Redaktion: Mit etwas anderem ist hier natürlich eins in die Fresse gemeint. Es geht hier schließlich ums Essen. Und wenn ich Hunger habe, will ich etwas zu Essen. Und das zwar pronto, sofort und dalli dalli, sonst knalli … dir eine.)
Er: „Ich hatte noch keinen Döner. Was gibt es da für welche?“
Ich: „Nur leckere. Doch siehe und staune!“

Bald im Bauch ein Neubewöhner: Dieser Döner.

Mit freudiger Erwartung beim Fresstempel angekommen, bestellte ich mir meinen, wie gewohnt mit extra Mais, scharf und ohne Blaukraut. Und mal nebenbei bemerkt: Wer auch immer auf die Idee kam, Blaukraut in einen Döner zu tun, der frisst bestimmt auch Cornflakes mit extra viel Schwarzgeräuchertem und Weißwurst mit Curryketchup. Kulinarisches Oberbanausentum.

Er hingegen beließ es bei einem ganz normalen ohne Schafskäse und nickte bei jeder Zutat, die der freundliche Herr hinter den Tresen zugeben wollte. Entweder war mein Bekannter schon so verhungert und ergab sich seinem Schicksal oder wollte sich nicht die Blöße geben, etwas nicht zu kennen. Wer weiß. Wir werden es niemals herausfinden.

Nun, ich brauchte noch einen Moment, da ich mein Fladenbrot sowie alles andere, was man Grillen, Toasten und mit Hitze dehydrieren kann, für gewöhnlich à la Briket zu dinnieren reinfressen pflege. Zudem tauschte ich noch ein paar Takte mit dem Dönermenschen aus, da man sich ja kennt. Dann endlich meinem Bekannten zum Tisch nach draußen gefolgt, wollte ich mich gleich erkundigen, was er denn zu diesem Feinsten aller feiner Fastfoodfutterchen sagt.

Meine Schritte stockten. Mein Atem versiegte. Meine Augen wurden groß.

Denn geleck. Ja geleck, dachte ich, und wollte es dennoch kaum glauben, obwohl ich es doch direkt mit eigenen Augen aus nächster Nähe sehen konnte.

Glaubt mir, ich habe Menschen schon viel und verdammt schnell jedweden Fraß reinfressen sehen. Ich mein, erstens als Bayer und zweitens in so einer Familie wie ich aufzuwachsen, das härtet ab, und es gibt kein Ausmaß der Verfressenheit, welches mir nicht geläufig oder noch nicht durchlebt worden wäre. Aber so, wie der nach dem ersten Bissen den Döner reingefressen hat, ja drei Mal gefaltete Milchtüte und zugeschlagene Küchentüren, mit welcher Geschwindigkeit kann man ein Mensch denn eigentlich was in sich reinfressen? Wenn ich den Kebap in einen verdammten Häcksler geworfen hätte, das wäre nur halb so schnell gegangen. Zehn Sekunden! Das waren vielleicht zehn Sekunden, die ich noch drinnen verbracht habe. Das Zehn Sekunden ist ein kleiner Biss, bestenfalls, wobei Kauen und Schlucken schon miteingerechnet ist!

Ja so eine verfressene Saumaschine, das gibt’s doch gar nicht, da blas mir doch einer die Gurgel auf und rülpse rückwärts einen Tonleiter! Ich will nicht sagen, dass er ganz so schnell wie Furious Pete war, aber ja, schon nahe dran. Verdammt nahe dran. Meine Frage, ob es denn schmecke, hat sich dann natürlich erübrigt. Gar war es auch ein Wunder, dass er sich im Eifer des Gefechts nicht ein, zwei Finger abgebissen hat. Doch „Naja“, meinte er, „ament kommt er wieder mal hierher.“

Ja. Ament. Denn was kommt gleich nach der Scheuklappenmentalität? Genau. Der Stolz, etwas nicht zugeben zu können.

Denn joa, ament kommt er wieder mal hierher. Ament. Muaha. Aber nur ament*.

(PS: „Ament“ bedeutet so viel wie eventuell, möglicherweise.)

Bildquellen:

Das Nasi Goreng:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ANasi-Goreng.jpg,
By Kobako (photo taken by Kobako) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)%5D, via Wikimedia Commons

Der Döner:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AD%C3%B6ner_kebab.jpg,
German-speaking user Wollschaf [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)%5D, via Wikimedia Commons