
Ein Leben für die Arbeit?
Jeder, der schon einmal in einer Behörde etwas zu erledigen hatte, etwa Anmeldung eines Gewerbes oder Änderung eines Dokumentes, kennt es: komplett gestresste, überarbeitete Mitarbeiter, die kaum noch in der Lage sind, das ihnen übertragene Arbeitspensum zu bewältigen.
So auch Mathilde Hacklbecher. Sie ist seit dreißig Jahren in einem Landratsamt tätig, seit ihrer Ausbildung befindet sie sich im Beamtenstatus. Fast schon jeden Tag stellt sie einen Führerschein aus, verlängert eine Fahrgenehmigung oder erweitert bestehende.

Ihren Mann, Josef Hacklbecher, findet man einen Stock höher bei der Kraftfahrzeugzulassungsstelle. Sein Aufgabengebiet umfasst all die mühselige Papierarbeit bezüglich Kraftfahrzeuge und Kennzeichen neuer Fahrzeuge, Oldtimer und Sonderfahrzeuge. Sie beide sind am Rande der totalen Erschöpfung.
„Gar täglich kommt jemand, und will ein Fahrzeug entweder an- oder ummelden“, stöhnt Josef Hacklbecher. „Es will überhaupt kein Ende mehr nehmen. Um acht Uhr beginnt mein Dienst. Um kurz nach neun kam ich zur Arbeit, war dann kurz in einer Besprechung, einen Kaffee trinken. Seit knapp zehn Uhr sitze ich also hier und habe schon fast zwei Anträge angenommen, ein weiterer ungeduldiger Bürger wartet draußen und argumentiert damit, er müsse um 12 zur Arbeit und ob die Bearbeitung nicht schneller ginge. Wenn das mit der Hektik weiter geht, werde ich bis zur Mittagspause beinahe fünf Anträge angenommen haben!“
Die Mittagspause beginnt um 11:30, der Dienst wird um 13:30 wieder fortgeführt und endet erst wieder um 15:30. „Diese Arbeitszeiten sind kaum mehr zu stemmen. Besonders in den Morgenstunden gleicht es dem Sturm auf die Bastille. Man hat kaum die vierte Tasse Kaffee getrunken und eine Butterbreze gegessen, schon geht es los. Die zwei Stunden Mittagspause reichen gerade mal dafür, sich in der Stadt etwas zum Essen zu holen, zu speisen, einen Kaffee zu trinken, sämtliche Erledigung in allen durchgehend geöffneten Geschäften zu erledigen, ein kräftigendes Nickerchen zu halten, sich noch mit den Kollegen zu unterhalten und dann um 13:30 wieder Anträge entgegenzunehmen.
Man sieht Josef und Mathilde Hacklbecher die Überarbeitung an. „Es grenzt einem nahenden Burnout“, bestätigen beide. „Dienstschluss ist erst um 15:30 – jedoch kommt es oft vor, dass jemand noch eine Minute vor Ende kommt, einen Stempel braucht und ich ihm zwei Minuten erklären muss, dass wir erst morgen wieder da sind. Da wird es gut und gerne mal 15:31, bis ich das Büro abschließe und 15:45, bis ich endlich zu Hause bin“, stöhnt Hacklbecher, und seine Frau seufzt zustimmend. Oft brauche er da den ganzen restlichen Freitag und Samstag, um sich zu erholen.
Der Nachbar, erzählen sie, ist als Notfallsanitäter beim Rettungsdienst tätig und hat täglich 12-Stunden-Schichten. Unabhängig davon, ob es ein Wochentag, Sonntag oder Feiertag ist. Eine Pausenregelung gibt es dort nicht, wenn überhaupt Pause.
„Der hat wenigstens nicht mit solch anstrengendem Klientel zu tun und weiß gar nicht, was Stress ist“, wissen die Hacklbechers. Ein anderer Nachbar ist Handwerker. Fliesenleger oder Pflasterer, das wissen sie nicht so genau. Der rückt täglich schon um fünf Uhr aus, um seine Kollegen abzuholen und zur Baustelle zu fahren. Meist außerhalb des Landkreises. Oft kehren sie erst um zwanzig Uhr abends heim oder müssen im Hotel übernachten.
„Der hat es sogar noch besser“, sagt die Frau Hacklbecher. „Der hat seinen Frieden und kann in Ruhe arbeiten. Was wir aber hier durchmachen – man kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.“
Der Dienstherr reagiert umgehend
Der vorgesetzte Dienstherr des lokalen Landratsamtes will darauf reagieren. Er kennt die Situation. Er selbst war dieses Jahr schon das zweite Mal vier Monate wegen etwas Ähnlichem krankgeschrieben, danach neunzehn Wochen auf Kur. Die an ihn gerichteten Anträge und Anfragen von Bürger liegen noch auf dem Tisch. Es musste ein anderes Büro geräumt werden, um die unbearbeiteten Anliegen entsprechend zu lagern, bis er sich geistig wieder gesund genug fühlt.
„Das Anliegen von Frau und Herr Hacklbecher hat Priorität“, sagt Herr Müller. „Schließlich soll sich niemand überarbeiten. Wir sind ein Amt und müssen für die Bürger da sein!“
Drei Wochen später ist der üppige, zwei Seiten lange Antrag bearbeitet und die Arbeitszeiten haben sich geändert.
In drei Stufen, um genau zu sein, um vor allem die Beamten nicht dem zusätzlichen Umstellungsstress auszusetzen. Zuerst fällt die unzumutbare Mehrarbeitszeit im Nachmittag weg. „Sich nach einer zweistündigen Mittagspause noch einmal zu erheben und dienstags und donnerstags von 13:30 bis 15:30 zu arbeiten, grenzt an Zumutung. Deshalb werden wir in der ersten Phase täglich nur noch von 08:00 bis 11:30 anwesend sein. Der arbeitende Bürger sollte es in dreieinhalb Stunden immer noch problemlos schaffen, beispielsweise ein Kraftfahrzeug anzumelden.“
In der zweiten Phase will man den Freitag wegzulassen. „Wenn wir alles in allem betrachten, besucht ein Großteil der Bürger die Ämter am Montag und Dienstag an. Für Freitag gibt es einfach keinen Bedarf mehr. An diesen Tagen bleiben die überarbeiteten Mitarbeiter bezahlt zu Hause.“
In der dritten und letzten Phase reduziert man die lange ausfallenden Zeiten von Montag bis Donnerstag 08:00 bis 11:30 auf zwei Stunden. Damit die Mitarbeiter erholt zur Arbeit kommen und produktiv genug sind, denkt man etwa an ein Zwei-Stunden-Modell. „Neun bis elf Uhr sollte reichen“, sagt Herr Müller und nickt zufrieden. „Das wären immerhin acht Stunden pro Woche. Länger sollte nun wirklich niemand brauchen, um einen Führerschein ändern zu lassen.“
Frau und Herr Hacklbecher geben sich optimistisch an diesem Mittwoch, an dem wir sie das letzte Mal besuchen. Das freundliche Ehepaar begleitet uns nach draußen, nachdem sie sieben Wartenden mitgeteilt hatten, bitte morgen wiederzukommen.
Schließlich wollen sie noch einkaufen. Zum Metzger soll es gehen. „Da fällt mir ein“, sagt Herr Hacklbecher, „die Metzgereien haben mittwochs ab Mittag zu! Das ist ja eine absolute Frechheit! Woher nehmen die sich die Dreistigkeit für so etwas heraus? Sollen die Menschen verhungern?“
Verhungern müssen die Hacklbechers zumindest nicht – sie fahren kurzerhand zum lokalen Supermarkt, der seit sechs Uhr morgens offen hat und nicht vor zwanzig Uhr schließt. Es möchte ja niemand, dass die Hacklbechers noch mehr Stress ausgesetzt werden und ihr Arbeitspensum darunter leidet.
bbq;
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