Wir alle haben den einen oder anderen Menschen in unserem Umfeld, den wir wohl oder übel ertragen müssen. Sei es der Mitbewohner der Wohngemeinschaft, der das Toilettenpapier erstens nie auffüllt und zweitens die Rolle immer falschherum einsetzt. Die hässlich überschminkte Kassiererin, die einfach nicht kapiert, dass man erst das Kleingeld, dann die Scheine gibt und nicht den Schein in die Hand drückt und das Geklimper oben drauf platziert. Oder der Kollege auf Arbeit, der sich immer den Hefter oder Locher ausleiht und ihn niemals zurückbringt.
Nun, solche kleinen Dinge sind vielleicht nervig, aber erträglich. Für gewöhnlich besitzen sie keinen all zu großen, wenn überhaupt einen Impakt auf den noch folgenden Tag oder das Leben selbst. Vorausgesetzt, der Mensch als Komplettpaket und an sich ist in Ordnung. Niemand von uns ist unfehlbar. Wohl machen es auch genau diesen kleinen Imperfektionen oder Fehler aus, die das Gesamtbild dann eben „perfekt“ oder genau richtig erscheinen lassen.
Äh, wo wollte ich jetzt eigentlich hin? Ach ja, wieder runter zur Niveaulosigkeit. Sind ja hier auf Brummbrummquietsch und nicht bei der Nobelpreistagung. Na auf jeden Fall (welch elegante Einleitung) gibt es aber auch neben vielen anderen zwielichten Gestalten die Fraktion der Zuwiderwurzen (Zwidawuazn auf Bayerisch), die absolut keiner leiden kann. Wo man die Augen schon zu überdrehen beginnt, wenn sie nur ansatzweise in unser Blickfeld gelangen.
Während ich ursprünglich geplant hatte, eine ganze Auflistung solcher Zuwiderindividuen aufzustellen, kam es anders. Diese Gruppe ist nämlich so gach unbeliebt, ergo also zuwider, dass sie sich nicht mal in einem digitalen Post mit anderen vertragen würden.
Die Rede ist von der Seniorchefin. Der typischen Seniorchefin.
Zwei Mal durfte ich in letzter Zeit aktiver Zeuge des Schaffen und Handelns einer solchen wurzenden Zuwiderwurz sein. Daher schritt ich endlich zur Tat und widmete ihnen diesen Post. Generell durfte ich freilich schon öfter Zeuge deren ihres Handels werden, doch machte es erst letztens Klick, dass dieser Archetypus überhaupt existiert.
Wisst Ihr, wen ich meine? Ja. Bestimmt. Denn Ihr kennt sie. Ihr kennt sie alle. Und seid ebenso schon einmal davon bedient (oder auch tyrannisiert) worden. Unwissend. Das ist der schleichende, buckelige Dämon, welcher zwischen den gutaussehenden jungen Bedienungen hinter der Theke rumschleicht und mit kleinen, unglaublichen giftigen Argusaugen und den Ohren eines Luches nur darauf wartet, wie eine giftige Tarantel hervorzustechen und sich auf einen kleinen Fehler einer Angestellten zu stürzen. Meist mit einer keifenden Stimme, die in jedem den Impuls weckt, den Schlagring herauszuholen und das Dilemma in Gesichtshöhe zu beenden.
Es ist der wachende, immer schlecht gelaunte Drache des Geizes, der bei jeder Silbe Feuer speit, gute Luft ein- und nie wieder ausatmet. Der Succubus als Ausgeburt des Unfriedens, die Koryphäe im Verbreiten schlechten Arbeitsklimas und erste Vorsitzende des Rates genereller Tierisch-auf-den-Wirsing-Huster und Allen-stets-dermaßen-auf-den-Sack-Geher.
Von bösen Schwiegermüttern wird gerne mal behauptet, sie hätten ein solch boshaftes Mundwerk, dass man jenes nach dem Tod noch extra mit dem Wagenkreuz erschlagen müsse. Hier ist es ähnlich. Nur schlimmer. Hat man bei ihr doch bereits noch im Leben den unsagbaren Wunsch, mit dem 400er Schraubenschlüssel und Pfählungswerkzeug anzurücken.
Eine der nicht lange zurückliegende Begegnungen mit einem weiblichen Seniordrachen hatte ich, als ich mir auf einer längeren Dienstreise auswärts zwecks Befriedigung des inneren Fressdämons eine Frikadelle in einem privat geführten Geschäft kaufen wollte. An dieser Stelle möchte ich noch kurz einfügen, dass die Seniordrachen trotz jahrhundertelanger Erfahrung in ihrem Handwerk Fot. Zen. Langsam arbeiten und man gute Lust hätte, mit einem treffenden Roundhouse in Gesichtshöhe hinter die Theke zu springen und sich den Scheiß selbst zu machen. Aber nein. In beharrlicher, lethargisch anmutender Trägheit wird wie in diesem Fall erst einmal die Semmel gesucht. Als wäre die feuerspeiende, sympathielose Faltenbestie das erste Mal in diesem verdammten Verkaufsbereich, obwohl sie sich eindeutig als Chefin aufspielt und auch so von den anderen Mitarbeiterinnen tituliert wird.
So, besagte Frikadelle oder Belag und die Semmel selbst hat sie dann endlich gefunden. „Mit Remoulade?“, keift sie unfreundlich, was normalerweise mit einem torpedoschnellen Faustkick beantwortet werden sollte. Faustkick? Jop. Ganz recht. Richtig gelesen. Doch ja, antworte ich, freilich mit Remoulade. Denn selbstgemachte Remoulade wie hier ist die Erfüllung. Handwerklich hergestellte Remoulade ist Liebe. Sogenannter Gaumensex. Und kurz vorab: Ein ordnungsgemäß zubereitetes Brötchen, Sandwich, Bulettenviech, Stullengerät oder wie man es auch immer bezeichnen mag, ist nach offizieller inoffizieller Norm der Deutschen Industrie, die mit Überfressen, Völlerei und Reinspachteln zu tun hat erst dann ausreichend mit selbstgemachter Soße oder Remoulade bestrichen, wenn beim Reinbeißen dem Fettsack mit dem grünen Shirt zwei Tische weiter die Soße so heftig ins Gesicht spritzt, dass seine schief sitzende Brille zum Fenster rausfliegt.
So. Ganz genau so. Und nicht anders. Kein bisschen anders.
Was jedoch den krummlaufenden Dämon hinter der Theke angeht, der hat das nicht ganz so gesehen. Man könnte sagen, die Meinung diesbezüglich driftet nicht auseinander, sondern wurde mit einem Zentner C4 auseinandergesprengt. Ergo: Geizig, knorrig, einfach nur zum Erschlagen. Und so fällt auch die Portionierung der Remoulade aus. Ja gut, Portionierung kann man jetzt nicht sagen. Ist eher so … ja, kennt Ihr das, wenn Ihr gerade ein feudales Mahl in Eure Futterlucke gezimmert habt, damit fertig seid und sich jetzt noch ein, zwei Flankerl zwischen der einen oder anderen Zahnlücke befinden?
Genau so muss man sich von der Menge her vorstellen. Nur nicht so generös. Wie der beharrliche kleine Minibatzen Nutella am vorderen Teil des Messers, nachdem man das Brot beschmiert und das Messer noch zwei mal abgeschleckt hat. So viel. Nicht mehr. Es hätte vielleicht gerade noch ausgereicht, um mithilfe einer Laboranalyse festzustellen, dass es sich um Remoulade gehandelt hat. Mit anderen Worten: Die knausrige, verbitterte und nichtsgönnende Arschkuh aus Habgieringen hat am Wichtigsten gespart. Nicht nur an Freundlichkeit mir zahlenden Kunden gegenüber, sondern an allem.
Von manchen Menschen in diesem Bereich wie vereinzelten Pizzalieferdiensten ist man ja wirklich verwöhnt und man kann nicht immer erwarten, alles in üppiger Portionierung zu bekommen. Das ist ok. Und das verstehe ich auch. Aber was dieses Erlebnis hier angeht, da reißt mir nicht nur die Hutschnur, da zerfetzt es mir die Unterhose in sämtliche Einzelnähte.
Eine weitere dieser Matriarchin unendlichen Geizes erlebte ich, als ich eine Bäckerei besuchte. „Was wollen Sie?“, grimmt, ja spuckt sie mir regelrecht entgegen und ich bin schon nahe der Versuchung, ihr vollster Insbrunst eine schallernde Ohrfeige zu geben. Weil: Was soll diese Unfreundlichkeit mir gegenüber? So begegnet man höchstens jemandem, der einem an einem (woah, guter Satzbau) Samstagnachmittag das Nickerchen nicht vergönnt und stattdessen irgendeinen Scheißendreck wissen will. Ich mein, wenn jemand schon so viel Misanthropie und generell dekadenlang gereiften Menschenhass in nur drei Worte stecken kann, so sollte ich dem doch die nötige Aufmerksamkeit schenken, eh? Aber zuhauen tut man nicht. Auch nicht bei Drachen. Selbst die Antwort „Eine junge, freundliche und vor allem andere Bedienung wäre ein guter Anfang“, schlucke ich ungesagt hinunter.
Schließlich bin ich hier ursprünglich als Kuchenkäufer aufgetaucht und nicht als Drachentöter von Orkbayern. Nun denn, ich bitte sie also um mehrere Stück Kuchen. Insgesamt vier, um genau zu sein. Schon allein bei der Nennung der Anzahl stöhnt sie im Geiste auf, was sich in einem unmerklichen Zucken der stets nach unten geformten Mundwinkel zeigt. Weil das ja Arbeit bedeutet. Und wie kann es überhaupt nur sein, dass man eine Bäckerei besitzt, einfach so ein Kunde hereinkommt und gleich vier Stück Kuchen will. Oder überhaupt Kuchen will. Überhaupt was will! Räudiges Menschenvolk, man brenne sie doch in den Boden, auf dass nur Aschehäufchen übrig bleiben.
Mit keinem weiteren Wort, doch einem gewissen Fickt-euch-doch-alle-ihr-dämlichen-Penner – Blick widmet sie sich schließlich doch der stolzen Aufgabe und sucht erst einmal das Messer. Während eine andere, ungefähr einhundert Jahre jüngere Bedienung dies schon alles erledigt und mich nach meiner Handynummer gefragt hätte, greift deren zitternde Hand gerade mal zum ersten verfickten Kuchen. Es ist jene knorrige Bewegung, die man von einem bösen Djinn erwartet, der soeben nach der Seele eines Menschen greift. Kennt Ihr jene gute Szene aus Bram Stoker’s Dracula mit dem Schattenspiel? So muss man sich das ungefähr vorstellen.
Aber anstatt einen richtig sauberen Keil von Oschi mit der Teigmachete runterzukeilen, damit der Kunde auch zufrieden ist, wird erst drei, vier Mal angesetzt. Nicht, dass man dem zahlenden Kunden noch etwas Zufriedenheit in Form zusätzlicher Kalorien mit nach Hause gibt. Oder gar überhaupt noch was auf dessen Teller landet. Wäre ja Verschwendung, eh? Ein Stück, welches der Dicke der Klinge kaum Konkurrenz macht und man wohl als durchsichtig definieren könnte, findet sich schließlich auf dem Pappteller wieder.
Selbstverständlich wird mich diese Lokalität nie wieder sehen. Allein schon aus dem Grund, weil ich eine solche unglaubliche Antisympathie nicht ausstehen kann.
Was soll im Generellen eigentlich dieser Geiz? Wenn der Käufer ein Stück Kuchen will, dann will er ein Stück. Kein Bröckchen, kein Stückchen, kein Krümelchen. Ein Stück. Und wenn ich verfickt nochmal gefragt werde, ob ich Remoulade will, dann will ich auch Remoulade. Und zwar kein Spritzerchen, kein Batzerchen, nein. Einen ganzen verfickten Scheunenpflug will ich darauf haben, eine Schaufelladung und einen Guss, der eine ganze Badewanne füllen kann. Ja. Eimerweise gehört das auf die Bulette rauf- und ins Brötchen reingelitert.
Aber Derartiges verbietet wohl der Unehrenkodex des Matriarchats, welcher alle einhundert Jahre von der endlich verreckenden Seniorchefin zur nächsten weitergegeben wird. Wenn es nach denen gehen würde, würde sich nicht der Spruch „Darf es etwas mehr sein?“ durchsetzen sondern das Handeln „Es darf ruhig etwas weniger sein.“ Wenn das bei den normalen Bäckereien so weitergeht, hat man bald ein Preis-Leistungs-Verhältnis wie bei dem einen, nicht unbekannten großen Fastfoodrestaurant. Wo die Kuchen so klein sind wie die Besucherzahlen meines Blogs und die Preise so wuchernd, dass‘ Dir selbst im zweiten Rückwärtsgang noch die Latschen rauspfeffert.
Nein, echt jetzt. Hört auf, so geizig zu sein. Ihr blöden Nutten.
Bilduqellen:
Das Radkreuz:
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Der Mohnkäsekuchen:
Eigenes Werk.